Der Ortsbeirat hatte eingeladen, die Bürgerinnen und Bürger über die Bebauung im neuen Baugebiet Dreitspitz III – Erweiterung West zu informieren. Das Interesse war groß; der Saal war, wie man auf dem Foto sieht, voll auf belegt – jedenfalls reichte die vorhandene Bestuhlung nicht, um alle Interessierten mit einer Sitzgelegenheit zu versorgen.
Bevor es aber losgehen konnte, wurden von Seiten der Gemeindevertreter (Bürgermeisterin Patricia Ortmann und der Vorsitzenden der Gemeindevertretung Elke Lepper) rechtliche Aspekte aufgeworfen, da zu einer Bürgerversammlung die Vorsitzende der Gemeindevertretung hätte einladen müssen.
Trotz gefülltem Saal war jedoch vom Ortsbeirat bewusst zu keiner Bürgerversammlung im rechtlichen Sinne eingeladen worden, da es sich bei dem Thema um eine vorwiegend Fellingshäuser Angelegenheit handelt.
Stattdessen sollte die Angelegenheit im Rahmen einer Ortsbeiratssitzung abgehandelt werden.
Formal wurde jedoch eingewendet, dass – obwohl die Ortsbeiratssitzungen öffentlich sind – die Bürger/innen dabei kein Rederecht haben. Dieser Umstand wird üblicherweise dadurch geheilt, dass die Sitzung unterbrochen und für Fragen oder Redebeiträge aus der Bevölkerung das Rederecht erteilt wird.
So war es vom Ortsbeirat geplant, um auch ein Feedback aus der Bevölkerung zu diesem für alle relevanten Veränderungen im Ort zu bekommen … und so wurde es schließlich – rechtlich wasserfest – auch gemacht.
Aber auch ein weiterer Umstand bereitete den offiziellen Vertretern der Gemeinde Sorge: wir vom Ortsbeirat hatten den Bausachverständigen Harald Kienholz als fachkundigen Ortsansässigen gebeten, die Entwicklungen und Veränderungen am Ortsrand vorzustellen. Da er jedoch Mitglied des Gemeindevorstandes ist und nur die Bürgermeisterin dieses Gremium offiziell nach außen vertreten darf, wurde ihm in seiner Funktion wegen des rechtlichen Rollenkonflikts als Gemeindevertreter untersagt, die von ihm als Bürger vorbereitete Präsentation mit den eigenen Zeichnungen zum Ortsbild und den Auswirkungen, z.B. vom Schattenwurf in realistischen Auswirkungen, zu präsentieren. Dies könne er lediglich im Rahmen einer privaten Veranstaltung zeigen (was am 25.4.2022 in der Gaststätte „zur Post“ – wieder unter reger Bürgerbeteiligung – nachgeholt wurde. – siehe Einschub unten)
Nach diesen Klarstellungen konnte es losgehen.
Frau Ortmann stellte dann die Pläne der Firma Weimer vor. mit der die Gemeinde bereits in der letzten Legislaturperiode – nach Ausschreibung und Vorgaben der Gemeinde – einen baurechtlichen Vertrag zur Entwicklung des Baugebietes abgeschlossen hat.
Auf dem Bild unten lässt sich die Ausdehnung des Baugebietes oberhalb und unterhalb der Kreisstraße K353 von Fellingshausen (Die Beu) nach Bieber (Neue Wegscheide) erkennen.
Dabei sind oberhalb der Straße der Bau von Ein- und Reihenhäusern vorgesehen sowie ein Spielplatz und eine Mehrfamilienhaus, in dem für die hiesigen Vereine Räumlichkeiten entstehen sollen.
Neben Stichstraßen wird es zwei Straßenverbindungen in das bisherige Baugebiet Dreispitz geben.
Der Hauptverkehrsfluss wird jedoch vermutlich über die K353 erfolgen, an der noch Bürgersteige errichtet werden und eine Querungshilfe für Fußgänger entstehen soll.
Unterhalb der K353 sind Mehrfamilienhäuser zwei- und dreigeschossig plus Staffelgeschoss und Flachdach vorgesehen, da barrierefreie, altengerechte Wohnungen dringend gebraucht würden.
Darunter wird es voraussichtlich ein Parkgeschoss geben. Die Bauhöhen dieser Häuser, neben der bisherigen eingeschossigen Bebauung mit Flachdach, wird 11 m bzw. 14 m sein, bezogen auf das Straßenniveau,
Das dürfte in etwa der Gebäudehöhe des „Gerlachhauses“ ein paar Meter weiter an der Straße entsprechen.
In der Sitzungsunterbrechung stellte sich Frau Ortmann den Fragen der Bürger/innen und beantwortete sie sehr sachkompetent … wobei auch klar wurde, dass sie als Chefin der Verwaltung das abzuarbeiten habe, wozu sie von den Gemeindevertreter/innen beauftragt wurde. Insofern stelle sie sich nicht gegen die Interessen der Bürger.
Wenn die Vorstellungen der Bürger sich heute nicht mehr mit den Beschlüssen früherer Parlamentarier decken, so dürften diese Einwände gerne in der Zeit der Offenlegung der Pläne eingewendet werden.
Durch den Bebauungsplan legt die Gemeinde fest, wie Grundstücke bebaut und in baurechtlicher Sicht genutzt werden dürfen. Die Aufstellung eines Bebauungsplans erfolgt in einem verbindlich geregelten Verfahren. Dabei ist auch die Beteiligung der Bürger vorgesehen. Das bedeutet: Ist ein Bürger mit den Plänen der Stadt oder Gemeinde nicht einverstanden, kann er dem Bebauungsplan widersprechen. Muster – Einspruch Bebauungsplan
Bedenken und Fragen wurden z.B. zum nicht mehr vorgesehenen Grünweg, einem erwarteten Hundeklo, zwischen altem und neuem Baugebiet geäußert, die eine früher von Seiten der Gemeinde versprochene Pflegemöglichkeit der Hecken – ohne Betreten des Nachbargrundstückes – ermöglichen würde.
Sorgen wurden auch zu heute schon fehlenden Kita- und Schulplätzen sowie zur hinreichenden Wasserversorgung in Zukunft geäußert. Frau Ortmann argumentierte hier, dass es dazu, z.B. auch zur Stromversorgung etc., entsprechende planerische Voruntersuchungen und Pläne gäbe.
Weiteres großes Thema war das – aus Bürgersicht – fehlende Verkehrskonzept und die zu erwartende Belastung durch ca. 1000 Fahrzeuge pro Tag mehr, die durch die Straßen geleitet werden müssen. Dabei führt der kürzeste Weg über den Hohlgarten zur Rodheimer Straße Richtung Gießen. Der Hohlgarten wurde ursprünglich jedoch als Anliegerstraße gebaut und von den Anliegern zu 90 % finanziert. Für Schwerlastverkehr ist die Straße nicht ausgelegt. Auch die Beu ist relativ schmal und schon jetzt sind die oft betagten Häuser durch die Erschütterungen der LKWs immer wieder beschädigt. Das macht den Anwohnern verständlicherweise Sorgen; ebenso wie eine weitere Verkehrszunahme, wenn die Pflegeeinrichtung am Keltentor inklusive Gastronomie gebaut und betrieben wird.
Sorgen machen sich die insbesondere die Nachbarn über die baulichen Veränderungen durch die geplanten Mehrfamilienhäuser, die das Ortsbild verändern und wahrscheinlich auch durch Schattenwurf Beeinträchtigungen für sie bedeuten könnten oder möglicherweise soziale Unverträglichkeiten aufwerfen würden.
Frau Ortmann erklärte hierzu, dass es Bedarf an altengerechten, barrierefreien Wohnungen gäbe und dass die Wohnungen zu sozialverträglichen Preisen vermietet werden sollten.
Einen Überschuss an Wohnraum – bei erwartetem Bevölkerungsrückgang – gäbe es im Bereich der Einfamilienhäuser
– die jedoch, wenn ältere Menschen ihre zu groß und pflegeintensiv gewordenen Häuser und Grundstücke aufgeben, wieder für junge Familien zugänglich würden.
Im Anschluss wurde die Sitzung des Ortsbeirates fortgesetzt und ein nachgetragener TOP 4 behandelt: Antrag der Burschen- und Mädchenschaft Fellingshäuser Füchse auf Zuschuss von 1.000 € zum für Anfang Juli geplanten Sonnwendfest, das nach 2jähriger Unterbrechung nun wieder – mit Umzug durch das Dorf – stattfinden soll.
Ursprünglich war das Ortsbudget nicht für derartige Unterstützungen, sondern für kleinere Reparaturen im Ort vorgesehen; da aber auch das Marktteam mit Sitzgelegenheiten für die so wichtigen Begegnungen im Fellingshäuser Marktcaffè unterstützt wurde, war Frau Ortmann schnell bereit, für einen Zuschuss nach Töpfen im Gemeindehaushalt zu suchen, die die von der Jugend organisierte Feierlichkeit unterstützen.
Fotos: Lindemann
Ganz anders gesehen und dargestellt wurde die Veranstaltung in der Gießener Allgemeinen:
Umstrittenes Neubaugebiet in der Kritik: Bürger erwägen Klage gegen „Dreispitz III“ oder
wie bereits am 23. 11. 2021: Gegen mächtige Doppelhaushälften