Reden zum Volkstrauertag 2023

Guten Morgen,
heute Morgen beginne ich mit Danke.
Danke, dass die Fellingshäuser wieder so zahlreich an diesem Gedenktag zusammenstehen, um der Toten und Leiden von Kriegsopfern zu gedenken.
Danke an unsere Bürgermeisterin für ihre Mitgestaltung dieser Feier sowie an ihre Mitarbeiterinnen, für die Organisation; Danke zu Michael Bierschenk, der unserer musikalischen Begleitung heute sofort zusagte, Danke an unserem neuen Pfarrer Eibach, der hier für geistigen Beistand steht und „last but not least“ Danke Steffen Balser der für unsere freiwillige Feuerwehr spricht.

Was ist Frieden?

Das ist das Thema unseres heutigen Nachdenkens.

Frieden wird definiert als ein heilsamer Zustand der Ruhe, der Abwesenheit von Störung, Aufruhr, Fehden und Selbstjustiz … und ganz besonders, als Abwesenheit von Krieg.
Frieden bezeichnet einen Zustand, in dem auftretenden Differenzen zwischen Einzelpersonen, Gruppen oder Staaten auf der Basis von Einigungsbereitschaft, Rechten, Gesetzen und ohne Gewalt begegnet wird.

Im Alltag sind Einigungsbereitschaft, kooperatives Miteinander, Gewaltfreiheit und Frieden nicht selbstverständlich,
stolpern wir doch über allerlei Begehrlichkeiten, Missverständnisse, unterschiedliche Ziel- oder Wertevorstellungen.

Dabei sehen wir Menschen nicht, was ist, sondern das, was wir glauben, was ist; also welcher Erzählung wir folgen. Zudem fokussieren und bestätigen wir gerne die Ideologien, Glaubenssätze und Vorstellungen, die wir kennen. So denken und fühlen wir, was wir glauben und orientieren unser Tun an dem, was wir glauben.
Dabei müssen wir immer wieder aushandeln, wo und wie groß eine gemeinsame Basis für das ist, was wir für unsere gemeinsame Realität halten.
Solange man sich nicht über eine gemeinsame wirksame Wirklichkeit einigen kann, liegen Lösungen weit weg – das gilt daheim wie zwischen Staaten.

Staaten wie Russland und China z.B., aber auch viele rechtsradikale Parteien in Europa und in den USA arbeiten an einem Gegenkonzept zu Demokratie, Mitbestimmung, Toleranz, Freiheit und Weltoffenheit.

Auf der Weltbühne dringt die Botschaft von Freiheit und Demokratie inzwischen in vielen Ländern nicht mehr durch.
Tatsächlich erleben wir immer stärker, wie unsere Vorstellung und Hoffnung, dass letztlich alle Menschen in Frieden leben wollen, nicht mehr uneingeschränkt stimmt.
Menschenrechte, wie wir sie uns vorstellen, sind nicht in allen Teilen der Welt ein erstrebenswertes Thema.
Wir erleben, dass Regime Gewalt gegen die eigene Bevölkerung und die militärische Durchsetzung eigener Interessen, wieder als ein geeignetes Mittel der Politik erachten.

Mittlerweile gilt nicht mehr: Krieg oder Frieden: kein Krieg ist nicht mehr Frieden.
Schon seit einigen Jahren werden wir in einen anhaltenden Konflikt der Systeme hineingezwungen, wobei die Schlachtfelder unübersichtlich geworden sind:
polarisierende, demokratische Systeme schwächende Entwicklungen werden medial unterstützt und verstärkt.
Da wirken Fake-Informationen, Hassparolen, aufputschende Bilder und Verschwörungstheorien. Manche benutzen radikale, klerikale Glaubensthesen, andere nutzen nationalistische, rassistische, faschistische, antisemitische oder homophobe Propaganda und hetzen gegen Wissenschaft. KI verwischt zunehmend die Grenze zwischen Realität und Fiktion. Und es gibt ökonomische Abhängigkeiten, kriminelle wie staatliche Cyberangriffe, Attentate, Terroranschläge, Söldnertruppen und offene militärisch kleinere oder auch existentielle Bedrohung und Auseinandersetzungen.

Dadurch werden die Grundlagen von Miteinander, Rechtsordnung und Welthandel, der Sinn von „Friedfertigkeit“ zersetzt, so dass der Welt droht, ins Chaos zu stürzen.
Und das gerade jetzt, wo die Menschheit sinnvollerweise zusammenstehen müsste, da die Öko-,
Ernährungs- und Wassersysteme vor drastischen Veränderungen stehen – durch menschenverursachtes Artensterben, Temperaturanstieg und Extremwetterereignisse durch Wind, Wasser und Feuer.

Ohne gestoppt zu werden wird Russland sein Machtstreben nicht auf die Ukraine beschränken, ebenso wie Aserbaidschan nicht mit Bergkarabach zufrieden ist oder das chinesische Regime die Ein-China-Politik verfolgt und muslimische Akteure keinen Frieden mit Israel wollen.

Zeitenwende bedeutet für uns, dass wir vor einem notwendigen strukturellen Wandel stehen, der sich jetzt vor allem in unseren Köpfen abspielen muss: Frieden ist nicht selbstverständlich!
Frieden muss immer wieder errungen und verteidigt werden.

Wir dürfen den Lauten nicht die Macht geben, Worte und Werte zu verdrehen.

Wenn wir weiter in guten Zeiten leben und unseren Kindern und Enkeln eine Welt hinterlassen wollen, in der es zu leben lohnt, kommen wir nicht umhin, weniger zu konsumieren. Wenn wir weiter in der Welt mitreden wollen, braucht es ein geeintes Europa. Und wir müssen Flagge zeigen, für demokratische Mitbestimmung, Freiheit der Rede, Offenheit, Toleranz – inklusive deren Grenzen!

Auch wenn es dauert bis sich Wahrheiten durchsetzen, gilt es auch heute auf Hass mit Liebe zu antworten! Das ist DIE große Errungenschaft der christlichen Botschaft. Denn mit dem alttestamentarischen „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ werden Konflikte lediglich von Generation zu Generation weitergereicht.

Damit beginnt Frieden bei uns selbst, in unserer Familie,
insbesondere mit der Art und Weise wie Kinder aufwachsen,
welche Ideen und Vorbilder Erwachsene ihnen mitgeben,
wie wir den Umgang mit den asozialen Medien begleiten;
was wir unterrichten und
wie wir unsere Nachbarn sehen und mit ihnen umgehen,
an unserem Wohnort, in unserer Gesellschaft. 

Denn insbesondere erfahrende Lieblosigkeit führt zu kompensatorischem Machtstreben und Missgunst in Bezug auf andere, die vermeintlich das bekommen oder haben, was man selbst gerne hätte.

Gier und Furcht führen dann zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.
Dies zumal die dunkle Seite der Macht schneller und leichter zu realisieren und damit verführerischer ist, als der mühselige Weg der Liebe, des Aufbauens und Ausgleichens, des demokratischen Miteinanders.

Daher ist es so wichtig, miteinander zu reden, sich kennenzulernen, Hintergründe besser zu verstehen, klare Abmachungen zu treffen und sich daran zu halten.

Überlassen wir die Welt nicht den Lauten und Gewalttätigen.
Lassen wir uns nicht entmutigen!

Vielen Dank
Dr. Alfons Lindemann; Ortsvorsteher

PS: Zum Thema Umgang mit Kindern möchte ich Ihnen hier ein aktuelles Buch empfehlen: „Wir erwachsenen Trennungskinder – prägende Kindheitserfahrungen verstehen und eigene Wege gehen“ von Imke Hummel und Julia Theeg. Buchtitel und Inhalt beziehen sich zwar immer auf „broken homes“ und doch sind all die angesprochenen Emotionen und Verarbeitungsmechanismen auch in vielen anderen Familiensituationen und auch übertragen auf staatliche Akteure anwendbar und die angebotenen Übungen hilfreich. Denn wie schon zuvor gesagt: Wer die Geschichte nicht kennt, läuft Gefahr sie zu wiederholen – und das so lange, bis die Muster verstanden und aktiv im friedvollen Miteinander überwunden werden.


Rede Volkstrauertag 2023

Suchet den Frieden und jaget ihm nach!

Wir gedenken heute den Opfern beider Weltkriege. Wir denken an die Soldaten, die an der Front gefallen sind, an die unzähligen Menschen, die durch direkte Kriegshandlung getötet wurden, an die zahllosen Opfer, die durch das NS-Regime ums Leben kamen und an die Menschen auf der ganzen Welt, die durch Gewalt, Not und Elend ihr Leben ließen.

Aber vielmehr sind wir mit den Gedanken bei den Menschen, die aktuell von Kriegshandlungen betroffen sind. Wir erleben die Welt im Umbruch. Auf 5 von 7 Kontinenten herrscht Krieg.

Nachdem in den letzten 30 Jahren die Zeichen auf Abrüstung standen, flackern nun weltweit immer mehr Konflikte auf. Die russische Invasion in die Ukraine hat das Wertesystem der Welt komplett verdreht. Alte Freundschaften zerbrechen und neue Bündnisse entstehen. Die Welt wird neu verteilt.

Nur: wer sind dabei die Gewinner und wer die Verlierer? Und wird es überhaupt Gewinner geben, oder rennen wir mit offenen Armen in einen 3. Weltkrieg?

Wie können wir wieder Frieden schaffen in so unsicheren Zeiten?

Die als pazifistische Partei gegründeten Grünen fordern plötzlich Waffenlieferungen, damit die Ukraine ihr Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen kann. Hier sollen also Panzer und Gewehre den Frieden wieder herstellen. Kann dies gelingen?

Auf der anderen Seite können wir nicht zusehen, wie unsere Nachbarn überrannt und abgeschlachtet werden. Sie benötigen jegliche Unterstützung.

In diesem Zwiespalt gilt es abzuwägen. Und ich denke, dass die meisten unserer demokratischen Politiker sehr genau und mit Bedacht abwägen, wie die nächsten Schritte aussehen können, die zu Frieden führen. Demgegenüber gibt es aber auch einige, die mit Parolen und Worthülsen immer mehr Angst und Hass schüren.

Lasst uns lieber gemeinsam Wege zum Frieden suchen. Friede ist nicht selbstverständlich, er muss immer neu geschaffen werden. Friede wurde nicht im Mai 1945 für die nachfolgenden Generationen eingeführt, sondern muss heute mehr denn je erarbeitet werden. Ich rufe euch zu: Suchet den Friede und jaget ihm nach!

Denn jeder Mensch auf der Welt hat das Recht auf ein friedliches und glückliches Leben.

Schon Hans und Sophie Scholl schrieben folgendes in ihren Flugblättern der Weißen Rose:

Wir wollen hier nicht urteilen über die verschiedenen möglichen Staatsformen, die Demokratie, die konstitutionelle Monarchie, das Königtum usw. Nur eines will eindeutig und klar herausgehoben werden: jeder einzelne Mensch hat einen Anspruch auf einen brauchbaren und gerechten Staat, der die Freiheit des Einzelnen als auch das Wohl der Gesamtheit, sichert. Denn der Mensch soll nach Gottes Willen frei und unabhängig im Zusammenleben und Zusammenwirken der staatlichen Gemeinschaft sein natürliches Ziel, sein irdisches Glück in Selbständigkeit und Selbsttätigkeit zu erreichen suchen.

Lasst uns nun zum Gedenken an die Opfer beider Weltkriege, und an die Menschen, die heute unter Kriegstreiberei leiden, die beiden Kränze nieder legen.

Denn selig sind die, die Frieden stiften.

Steffen Balser
für die Freiwillige Feuerwehr Fellingshausen

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